Ausführliche Beschreibung meines „implantologischen Lebenslaufes“

Schon während meines Zahnmedizinstudiums in Giessen hatte ich die ersten Kontakte zur Implantologie. Bei Prof. Kirschner sah ich Reimplantationen mit Keramikstiftverstärkungen. Über Prof. Pfütz  lernte ich die ersten Nadelimplantate von Hindes kennen. Meine Assistenzzeit absolvierte ich bei Prof. Heinrich und Prof. Pruin in Bremen, die ein gemeinsames Fortbildungszentrum (D.A.I.O.S. Deutsche Akademie für Implantationen in der Odonto-Stomatologie) betrieben.

Um eine größere universitäre Unterstützung zu bekommen, wurde 1976  mit Prof. Ritze in Hamburg und Prof. Hahn aus Kiel die Europäische Akademie für Implantologie gegründet.

Als einer der Ersten nutzte ich die Möglichkeiten der neuaufkommenden Film- und Videotechniken, um auf den verschiedenen Formaten zahnärztliche Implantologie Fachpublikum wie Öffentlichkeit zugängig zu machen.

Parallel zu den Implantationskursen, die  hauptsächlich subperiostale Blatt-, Schrauben- und Nadelimplantation anboten, beschäftigte ich mich mit dem Verfahren der Transfixation, transdentalen Fixation sowie verschiedener Transplantationstechniken. Internationale Gastreferenten ermöglichten mir die versuchsweise Anwendung neuer Verfahren, wie z. B.  die Zirkonschraube nach Sandhaus, Glaskohlenstoffimplantate oder die mit Ted Turner (Alabama, USA) erstmals gesetzten Ramusimplantate in Europa. Aus diesen Kontakten erwuchs die Idee ein Handbuch zur Implantologie herauszugeben. Dies erschien umso mehr nötig, als sich die damals im Manual zitierten Arbeitskreise  meist nur mit einer Implantationstechnik beschäftigten und diese, vergleichbar einer Weltanschauung, als neu und unveränderlich betrachtet wurde. 

Über Langzeitmisserfolge in der Anwendung von Kirschner Reimplantionsstiften kam ich auf ein heute noch existentes Verfahren mittels zierlicher biegbarer Tantalstifte. Sie hatten zur Aufgabe,  die Wurzelkanäle zu verschließen und durch Stiftüberstände nach Vorbohrung extrahierte oder verloren gegangene Zähne stabil im Knochen zu fixieren. Statt einer Metallverdrahtung wurde eine patientenfreundliche Schienung, und das war zukunftsweisend, mit dem Verfahren der Ätztechnik durch UV-Licht härtenden Kunststoff empfohlen.

Eine neue Aufgabe übernahm ich durch den Wechsel  nach Schaan, FL, um eine verwaiste Praxis weiterzuführen. Hier wirkte ich, mit Unterstützung des damaligen  Ivoclar Leiters Willner, an der klinischen Erprobung und Weiterentwicklung keramikverstärkter Verblend- u. Füllungsmaterialien sowie des Ivocap- u.  Gnathomatsystems mit.

Ende 78 fiel der Entschluss zur Neugründung einer implantologischen Praxis.  Behandlungseinheiten folgten dem Ergonomie Prinzip nach Prof. Schön, Bad Reichenhall. Spezielle Sterifilter reinigten das Behandlungswasser. Neueste Röntgentechnik, UV-Steri, berührungsfreie Waschtische repräsentierten die Zukunft qualitätsgesicherter Implantologie.

Aufgrund der großen Nachfrage nach unabhängiger implantologischer Literatur entschloss sich der Quintessenzverlag zur Herausgabe des Taschenbuches „Quintessenz der oralen Implantologie“, 1980. Es ist auch heute noch erstaunlich aktuell und wird z. B. von der DGZI neben anderen Büchern zur Vorbereitung auf das Curriculum Implantologie empfohlen.

Die auf einer Bremer Fortbildung geschlossene Bekanntschaft mit dem Amerikaner Driskell bewegte mich (wohl als  erster in Europa),  die amerikanischen Implantatprodukte der Firma Miter (Vorläufer von Bicon) einzuführen. Interessanterweise gibt es bis heute einen Disput über die Erstbeschreibung moderner zahnärztlicher Implantate. Die Europäer bevorzugen Branemark, die amerikanische Sichtweise stellt Driskell und Heller in den Vordergrund.

Schon damals gab es einen Schwenk von bewährten Titan- und Tantalimplantaten zu keramischen Systemen. Ich modifizierte das auf Einzelpfosten und Blättern basierende Synthodont-Implantatsystem. Statt eine Aufklappung vorzunehmen wurde erstmalig ein minimalinvasives Operieren mit genormten Schleimhautperioststanzen beschrieben. Die rotationssymetrischen, konusförmigen einteiligen Pfostenimplantate waren im Vergleich zu den Produkten der deutschen Feldmühle erheblich bruchfester und hatten eine durch das Makrodesign bestimmte bis heute bewährte Oberfläche. Mit einem projektilförmigen Knochen-, Dehn- und Spreizinstrument (bullet nose) wurde die Elastizität des Knochens ausgenutzt und ein guter Primärhalt gewährleistet, der je nach Schienung und prothetischen Verhältnissen Sofortbelastung zuließ. Diese schon damals beschriebene Technik von Bonespreading und Bonecondensing fand erst später durch Streckbein und Söhne in Deutschland die verdiente wissenschaftliche Beschreibung und Anerkennung. 

Statt der bei Praktikern (Grafelmann et. al.) so beliebten Linkow-Blattimplantate, die unter ihrer verwirrenden Vielfalt litten, beschrieb ich ein nur aus zwei Typen bestehendes Titanaloy System. Neu hieran waren

 1. eine Titan-Vanadium-Aluminium Verbindung mit wesentlich verbesserten Festigkeitsdaten.

2.  Ein Implantatgitter das intraoperativ an anatomische Strukturen angepasst wurde

sowie

3.  erstmalig ein Operationsinstrumentarium aus einer Titanlegierung, welches zum Ziel hatte, die bei bisherigen Verfahren übliche  Übertragung fremder Metalle (z. B. Eisen) auf Titankörper, d.h. Kontaktkorrosion zu vermeiden.

Doch schon bald sollte die Ära der einteiligen Systeme durch die Neuentwicklung des Titanodont-Systems zu Ende gehen.  Erstmalig konnte mit einem konischen Aufbau der hydraulisch durch Wasser aus einer Injektionskanüle gelöst wurde,  ein bakteriendichtes schraubenfreies  um 360 Grad drehbares Abutmentsystem vorgestellt werden. Das platform-switching war geboren.

Gute Implantologie ohne Verwendung autologer und heterologer Knochenersatzwerkstoffe  war auch in den Zeiten der Pioniere undenkbar. Von der Verwendung neuartiger Alpha oder Beta-Tricalciumphosphate zur Reparatur von Knochendefekten versprach man sich Indikationserweiterungen zur Implantologie. Meine Beschreibung des heute noch erhältlichen Werkstoffes Synthograft bezüglich seiner Anwendung in der oralen Chirurgie wurde 1984 mit dem Philipp-Pfaff-Preis ausgezeichnet.

Durch die Zusammenarbeit mit dem Kieferchirurgen und LKG Spezialisten Prof. Koch wurde ich  auf die Probleme der Lippen-Kiefer-Gaumenspalten-Patienten gerade in Westdeutschland aufmerksam. Wenn auch das neuartige Material für diesen Patientenkreis als „Goldstandard“ nicht zum Einsatz kommen konnte, so stiftete ich  das Preisgeld gerne  der Rosenthal Selbsthilfegruppe, die nach Jahren die endlich notwendige sozialrechtliche Anerkennung dieses Patientenkreises durchsetzen konnte.

Ein von mir konstruiertes Unilateral-Implantat diente zum Abfangen transversaler Schübe zur Blattimplantation. Konnte aber auch nach Abtrennen der akzessorischen Stabilisatoren als einzelner Pfosten eingesetzt werden.

Auf Kritik stieß meine zaghafte Veröffentlichung zum internen Sinuslift. Trotz klinischem Erfolg blieb die Kieferhöhle noch lange ein implantologisches Tabuthema.

Meine zahlreichen Publikationen zu amerikanischen Implantatsystemen führten in Europa zu wenig wirtschaftlichem Erfolg. Gründe hierfür lagen im schwankenden Dollarkurs, den hohen Einfuhrzöllen sowie an dem ausbleibenden Support der Amerikaner.

Ein anderer Faktor war die nach und nach aufkommende universitäre Implantologie, welche eine schon bestehende US-Konkurrenz ignorierte, um in den Besitz von Forschung- und Fördergeldern zu gelangen. In meinen  Vorträgen habe ich mich nie gescheut, schon früh Misserfolge (Tübinger Sofortimplantat) darzustellen. Von universitärer Seite (z. B. eine renommierte Hochschule in Rheinland-Pfalz) wurde beim IMZ Implantat mit epimobilem Aufsatz noch eine Erfolgsquote von 95 % auf 5 Jahre vorgegaukelt. Durch die Diskussion dieser nicht mit der Praxis im Einklang stehenden Ergebnisse auf einem meiner Vorträge in Davos,  kam es zum Kontakt zur holländischen Implantatgruppe um Oosterbeek, Bruggenkate u.a. Gemeinsame Operationen, Veröffentlichungen (z. T. mit Prof. Krekeler, Freiburg) wurden mit der Ehrenmitgliedschaft des CMFI bedacht. Die Untersuchungen drehten sich hauptsächlich um den Hohlzylinder von Straumann Typ F und Typ H. Es waren die ersten in verschiedenen Praxen durchgeführten Untersuchungen, die unabhängig (Operateur ungleich Untersucher) als Hintergrund einer Zulassung zum US Markt durchgeführt wurden.

Notgedrungen befasste ich mich  mit den gesetzlich für Kassenpatienten verordneten reduzierten und edelmetallfreien Legierungen (Euro-Ceram). Eigene Misserfolge und viele Kollegenklagen mit diesem Material  führten zur Forderung nach besserer Materialsicherheit durch mehr Prüfung. Dies führte naturgemäß zu Gegensätzen bei Kammern und dem sie dominierenden Freien Verband. Durch Unterstützung der Edelmetall-Lobby und namhafter Professoren wie Eichner (Berlin) und Klötzer (Marburg) gelang es die schädigenden Produkte vom Markt zu nehmen. Das Zeitalter der „Hammerschlagtestungen“ zur Keramikhaftung ging zum Vorteil neuerer Untersuchungstechniken endgültig zu Ende. Die hier gewonnenen Erfahrungen mit allen Prozessbeteiligten sollten künftig bezüglich der Implantologie von großem  Nutzen sein. 

Mit Kimmel und Hahn arbeitete ich  an einer zahnärztlichen Enzyklopädie und an einem Fachbuch für Oralchirurgie. Durch interne professorale Querelen mit den dadurch bedingten Zeitverschiebungen im Andruck, konnten die manuskriptseitig fertig gestellten Beiträge nicht mehr zeitgerecht am Markt platziert werden und wurden durch die rasante medizintechnische Entwicklung  inaktuell.

In der darauf folgenden Publikationspause wandte ich mich  meinem Privathobby,  dem Bau von Ultraleichtflugzeugen, zu. Die hier gewonnenen Erkenntnisse bezüglich dynamischer Belastungstestung, Qualitätssicherung etc. sollten später auch in der Implantologie ihre Parallelen finden.

Eine geplante Einschränkung der Blattimplantation in einer inzwischen von Hochschullehrern dominierten Implantologie führte vor 22 Jahren unter Führung von Prof. Brinkmann und einigen streitbaren Kollegen zur Gründung eines unabhängig eigenständigen Berufsverbandes, des BDIZ/EDI. Von Beginn an betätigte ich mich  im Aufnahme-, Register- u. Qualifikationsausschuss. Mein besonderes Interesse galt mit den Kollegen Ehrl und Engels der Aufstellung von zeitgemäßen Standards für die Implantologie. Die Einrichtung eines Implantatregisters zur Beschreibung aller Implantatprodukte und regenerativer Materialien sollte in Form eines Buches folgen.

Aus der Fliegerei entlehnt führte ich mit Unterstützung des BDIZ Grundlagenuntersuchungen am Fraunhofer Institut zu Langzeitbelastungstestung zu Implantaten durch. Engels (Bonn) und Soltesz (Fraunhofer, Freiburg)  gelang es im ISO Ausschuss, wenn auch mit kleinen Änderungen, erstmalig eine ISO Norm für Implantattestungen einzuführen.

Zum Konflikt mit der dentalimplantatherstellenden Industrie führte die Veröffentlichung von Preisvergleichslisten mit Olivier. Die Anforderungen eines BDIZ Gütesiegels erfüllten nur wenige Firmen, daher wurde es von Seiten der  Industrie boykottiert.  

Als besonders riskantes Projekt erwies sich die Nachuntersuchung von Implantatfrakturen am Fraunhofer Institut. Unterschiedliche Auffassungen bezüglich Sponsoring, Wettbewerbsrecht, CE-Zeichen und Medizinproduktegesetz führten zum Rückzug aus allen Ämtern des BDIZs, wie Vorsitz des R+Q Ausschuss, Generalsekretariat und Redaktion BDIZ Konkret.

 

Dennoch wurden die Nachuntersuchungen mit Kollegen Olivier und dem Fraunhofer Institut (Jaeger + Möser) in verschiedenen Sprachen durch Fachjournale publiziert und fanden ihre Würdigung auf der 10th World Conference on Titanum in  Hamburg 2003. 

Bis 2004 war ich Obergutachter der Konsensuskonferenz Implantologie und an der Erstausgabe des BDIZ Gutachterhandbuches beteiligt.

Als Referent für Qualitätssicherung der DGI verfasste ich zahlreiche Beiträge zur implantologischen Qualität und konnte somit meine Arbeit hierzu, die 2000 unter dem BDIZ Vorsitz von Hartmann mit dem  „Weißbuch Qualitätssicherung Implantologie“ begannen, fortsetzen.

Für die hessischen Zahnärzte wurde ich für zwei Wahlperioden seit 1999  als ehrenamtlicher Richter  bei dem Berufsgericht für Heilberufe bei dem Verwaltungsgericht Giessen berufen.

Mit H. Welke leitete ich als stellvertretender Vorsitzender das Zahnärzteforum, um die neu aufkommenden Marketingstrukturen, wie z. B. Factoring der Zahnärzteschaft selbstbestimmt zu ermöglichen.

Mein Hauptanliegen galt verstärkt dem genossenschaftliche Gedanken .Der implantologischen Einkaufgenossenschaft IGZ  gehöre ich  heute noch als Mitglied des Aufsichtsrates an.

Mit den Kollegen Streckbein u. Söhne und Hassenpflug verband ein gemeinsames Interesse am Compress Implantatsystem, welches sich in vielen Untersuchungen und diesbezüglichen Veröffentlichung und Lehrveranstaltungen niederschlug. So wurde z. B. auch die erste Laserpräparation eines Implantatbettes mit Koll. Olivier für das Compress Implantatsystem beschrieben. Versuche zur Roboton navigierten Laserimplantatbettbohrung erwiesen sich als praktikabel, aber nicht praxisgerecht.

Die Weiterentwicklung des Compress Systems von der Außenverbindung zur Innenverbindung gelang mit der Firma BEGO durch die Entwicklung des RI Implantates. Auf Grundlage der Fraunhofer Untersuchungen zum Gütesiegel konnte mit Hilfe von Prof. Flach (FH Koblenz) ein verbessertes bionisches Design entwickelt werden, welches – und das ist in der Implantologie neu – bei gleichem Durchmesser zu einer optimierten Festigkeit und risikoloseren Krafteinleitung und somit zu einer höheren Lebensdauer führt.

Meine letzten Beiträge beschäftigten sich mit Knochenaugmentation, Schmalkieferimplantaten, Implantathygiene sowie Gerio-Implantatprothetik.

Durch Zusammenarbeit mit Frau Salhoff (Abrechnungsexpertin aus Nürnberg) gelang es mit Olivier die von Streckbein entwickelten, durch die  Konsensuskonferenz Implantologie  anerkannten Bonemanagementechniken in Abrechnungsmodalitäten  umzusetzen, so dass sie auch von den Versicherungen eine hohe Akzeptanz erhielten.

2007 beendete ich  meine Praxistätigkeit in Sinn.

Zurzeit bin ich  Lehrbeauftragter am IZI, Limburg und führe Kurse zur Zertifizierung von Zahnärzten und Zahntechnikern durch.

Seit 2009 leite ich  an der Karlsuniversität Prag in Zusammenarbeit mit dem CSI verschiedene Kurse zur Implantologie. Thematisiert werden  implantologische Entwicklungen und Trends bis hin zu Nano und Bionik.

Nebenbei betätige ich mich als Berater für das neuartige Heliocos Implantatsystem.

Am 1. April 2011 fanden Vorträge an einer neugegründeten Fortbildungsakademie „University upon Sea“  in Lindau am Bodensee statt, die Neueinsteiger und Implantologen zum fachübergreifenden Erfahrungsaustausch zusammenführten.

Juni 2011 Schulung zum Studienleiter für Medizinprodukterecht und Klinische Prüfung mit Medizinprodukten gemäß § 9 MPKVP Abs. 2 Nr. 2  durch die Gesellschaft für Therapieforschung GKM, München.

Teilnahme am Kooperationstreffen der deutschen Handelskammer in Österreich zur Auslotung von einem Interesse an deutschen innovativen Gesundheitsprodukten – 29.11.2011 Wien.

Von 2012 bis 2014 war ich Berater für das ABC Implantatsystem der Heliocos GmbH.